Ranja Weis unterrichtet in Ausbildungen sowie Workshops & Retreats und entwickelt Programme für DVD's und Online-Portale. Ihre Schwerpunkte sind zum einen dynamische Vinyasa-Stile, zum anderen Yin Yoga und Yoga Nidra. Im Interview verrät sie uns, wie Yoga ihr Kraft gibt und auch durch schwierige Zeiten helfen kann.
Liebe Ranja, warum praktizierst du Yoga? Kam der Wunsch, in die Materie eintauchen zu wollen aus einem inneren Gefühl bzw. einer prägenden Situation heraus oder waren es ganz unromantische Beweggründe, wie der Wunsch nach einem straffen Körper oder mehr Ausdauer? Im Sinne von: Hat das Yoga dich gefunden oder hast du das Yoga gefunden?
Definitiv hat das Yoga mich gefunden. Und zwar an einem Ort, wo man es nicht vermuten würde: während einer schamanischen Zeremonie im Urwald Brasiliens. Ich war dort, weil mein Körper dringend Heilung brauchte und ich mich gegen den herkömmlichen Weg der Schulmedizin entschieden hatte. Das was ich dort erlebt habe, war unglaublich hart und seitdem ist mir der Ausdruck "durch die Hölle gehen" nicht mehr fremd. Aber im letzten Drittel dieses ganzen Reinigungsprozesses habe ich mich zum ersten Mal wirklich frei gefühlt, erlöst und glücklich. Und da hatte ich die Eingebung mit Yoga zu beginnen. Spiritualität war mir bis dahin noch ziemlich fremd, ich war auch kein sehr körperbezogener oder sportlicher Mensch und von Yoga hatte ich keine Ahnung. Trotzdem übte dieses Wort plötzlich eine magische Anziehungskraft auf mich aus, und wenige Tage später war ich in meiner ersten Yogastunde in einem Studio in Rio de Janeiro.
Du unterrichtest schon seit einiger Zeit neben Vinyasa vor allem Yin Yoga und Yoga Nidra. Warum hast du dich für diese Richtungen entschieden?
Weil sie den größten Unterschied gemacht haben. Ich kam mit Vinyasa nicht mehr weiter. Yin Yoga und Yoga Nidra haben viele positive Veränderungen in mein Leben gebracht. Vor allem, weil sie sehr effektiv und heilsam in den Bereichen des Unterbewussten arbeiten, die uns im Alltagsbewusstsein nicht zugänglich sind. Vor allem Yoga Nidra ist darauf ausgelegt uns auf dieser Ebene "umzuprogrammieren" und schädliche Denk- und Verhaltensmuster in positiv-unterstützende umzuwandeln. Seitdem ich diese Techniken entdeckt habe, weiß ich wieviel Yoga bewirken kann. Und da gibt es sicherlich noch einiges mehr zu entdecken!
Du bist Mutter einer kleinen Tochter. Mütter haben ja oft eine völlig überzogene Erwartungshaltung, vor allem an sich selbst. Was rätst du selbst jungen Müttern, wie sie am besten mit all diesen durchaus überwältigenden Gefühlen umgehen können? Kann Yoga dabei deiner Meinung nach helfen?
Mir hat es sehr geholfen. Ich hatte gesundheitlich eine schwere Zeit nach der Geburt, u.a. extreme Gelenk- und Rückenschmerzen. Morgens konnte ich mehrere Monate lang kaum auftreten, weil mir aus irgendeinem Grund die Füße weh taten. Dazu kamen Depressionen, aufgrund der Hormonumstellung und des Schlafmangels. Es ist wirklich nicht zu unterschätzen, was eine Frau in dieser Zeit durchmacht. Ich habe den Wert der Yogapraxis noch einmal ganz neu schätzen gelernt. Es hat mir sehr geholfen die Schmerzen abzumildern, Ruhe zu finden und mich zu erholen. Irgendwann habe ich aufgehört, zu Ärzten zu rennen, und stattdessen darauf geachtet, jeden Tag mindestens eine halbe Stunde Yoga zu üben. Ab da ging es mir wieder besser.
Du hast uns erzählt, dass du grade durch eine schwierige Zeit gehst, da du und dein ehemaliger Lebensgefährte euch getrennt habt. Hilft Yoga dir dabei, die Trennung zu verarbeiten und besser damit umzugehen?
Auf jeden Fall! Die Yogapraxis bewirkt, dass wir bei uns ankommen und uns auf's Wesentliche besinnen. Auf das was wirklich wichtig ist, und das sind vor allem die Beziehungen zu den Menschen, die wir lieben. Ich kenne Yogalehrer, denen Erfolg und Ruhm wichtiger ist als alles andere. Meistens haben sie dabei jedoch entweder ihre eigene Praxis verloren, oder sie üben auf eine Weise, die sie noch stärker ins Ego bringt, weg von sich selbst. Interessanterweise ist mir das hauptsächlich bei Männern begegnet. Sie scheinen dafür anfälliger zu sein als Frauen. Aber gerade in Krisen wie beispielsweise Trennungen, kann eine regelmäßige Yogapraxis enorm helfen, die eigenen Muster zu erkennen, und Vorwürfe und Schuldzuweisungen zu vermeiden. Denn was auch immer wir erleben, haben wir auf die eine oder andere Weise in unser Leben gezogen, um daran zu wachsen. Ich habe in meiner letzten Beziehung einen alten Schmerz aus meiner Kindheit wieder erlebt, den es zu heilen und loszulassen galt. Oft tauchen Menschen aus genau diesen Gründen auf. Und wenn es uns gelingt das zu sehen, ist mit dem gleichen Menschen eine neue, konstruktive Form der Beziehung möglich. Es liegt alles in uns selbst.
Was ist für dich die essentielle Message hinter Yoga? Warum sollten deiner Meinung nach mehr Menschen Yoga üben - vielleicht gerade in der heutigen Zeit?
Durch Yoga fangen wir an uns zu spüren. Wir werden sensibler, feiner in der Wahrnehmung. Wir beginnen schädigende Verhaltensweisen wie schlechte Ernährung, Rauchen etc. abzulegen und gut für uns selbst und unsere Gesundheit zu sorgen. Irgendwann können wir fühlen, dass wir mit allem um uns herum irgendwie in Verbindung stehen, mit den Menschen, den Tieren, den Pflanzen, dem Kosmos. Dann erweitert sich das Verantwortungsgefühl, das wir für uns selbst entwickelt haben, auf unsere Umwelt. Wir fangen beispielsweise an beim einkaufen auf bio, regional und fairtrade zu achten, wir vermeiden es, Produkte zu kaufen, die mit dem Leid anderer Lebewesen in Verbindung stehen, wie Pelz etc. Das ist für mich das größte Potential von Yoga in der heutigen Zeit: dass wir aufhören, gedankenlos zu konsumieren, dass wir nicht mehr so leicht zu manipulieren sind und, dass wir Mitgefühl und Verantwortung entwickeln.
Hat sich dein eigener Lebensstil durch das Yoga verändert?
Ja, grundlegend. Ich ernähre mich gesünder als früher und bewege mich viel. Aber vor allem achte ich auf meine Bedürfnisse und mache hauptsächlich das, was mich erfüllt und mir Freude bereitet :)
Vielen Dank für deine ehrlichen Worte!
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