Heute ist Weltflüchtlingstag und sicher erinnsert du dich noch an die Bilder als tausende von Menschen 2015 in München ankamen. Viele Menschen haben damals mit angepackt und viele tuen es heute noch. Wir möchten dir heute ein ganz besonderes Projekt und die Frau dahinter vorstellen: Citizen2be und Bettina Schuler. Bettina hat sich mit ihrem Team zum Ziel gesetzt hat, Menschen, die auf Grund ihrer ethischen, politischen, sozialen oder religiösen Zugehörigkeit verfolgt werden, bei der Integration in Deutschland mit Hilfe von Yoga zu helfen. Citizen2be hilft traumatisierten, insbesondere geflüchteten Frauen dabei, mit Yoga ihre Traumata zu bewältigen, denn sie sind der Überzeugung, dass man, um gesund und dauerhaft in einem neuen Land ankommen kann, erst bei sich selber ankommen muss. Der Name „Citizen to be“ ist von der kanadischen Bezeichnung für Geflüchtete abgeleitet. Denn statt Flüchtlinge oder Geflüchtete werden die Menschen, die dort Zuflucht suchen direkt als zukünftige Bürger bezeichnet. Ein Begriff, der wertschätzender ist und für Hoffnung und Perspektive steht. Die Inspiration von Citizen2be.
Liebe Bettina, heute ist Weltflüchtlingstag. Viele Menschen haben damals während der großen Flüchtlingswelle kräftig mitangepackt. Du hattest eine ganz besondere Idee. Erzähle uns davon!
Bettina: Ich habe 2016 die gemeinnützige Organisation Citizen2be gegründet. Unsere Idee ist und war, dass wir traumatisierten, insbesondere geflüchteten Frauen dabei helfen mit Yoga ihre Traumata zu bewältigen. Denn Traumata setzen sich nicht nur im Kopf, sondern auch im Körper fest. Genau an diesem Punkt setzt unserer Arbeit an: Wir versuchen den Frauen dabei zu helfen, sich wieder in ihrem Körper zu Hause zu fühlen. Wir sind der Überzeugung, dass man, um gesund und dauerhaft in einem neuen Land ankommen zu können, erstmal bei sich selber ankommen muss. Dabei achten wir zu jederzeit unsere Grenzen. Wir haben eine Psychologin in unserem Team, auf die wir jederzeit zurückgreifen können, wenn es schwierig wird. Zudem haben wir einigen geflüchteten Frauen eine One-to-One Yoga-Trauma-Therapie kostenfrei ermöglicht. Bei dieser kümmert sich der Yogalehrer in Einzelsitzungen um die Patientin und ihre physischen Traumata und der Psychologe um die psychischen. Das hat sehr gut funktioniert und ich wünsche mir für die Zukunft, dass wir noch mehr Frauen diese Form der Therapie zukommen lassen können. Doch leider ist das sehr zeit- und kostenintensiv.
Unterrichtest du ausschließlich Frauen?
Bettina: Ja, wir unterrichten nur Frauen. Da die Frauen, die zu uns kommen aus ganz verschiedenen Kulturkreisen stammen, würden sich einige Frauen unwohl fühlen, wenn Männer im Kurs wären. Manche trage auch eine Hidschab, die sie aber während des Kurses abgelegen. Auch das würde nicht möglich sein, wenn Männer dabei wären. Außerdem ist es eine ganz andere Stimmung, wenn nur Frauen im Raum sind. Alles ist wesentlich entspannter und offener und es gibt auch wesentlich weniger Scham in Bezug auf den Körper.
Wurden deine Stunden sofort angenommen? Und mit welchen Hindernissen hattest du nicht gerechnet?
Bettina: Es hat eine Weile gedauert. Aber zum Glück bin ich sehr zäh. Mittlerweile sind es mal mehr, mal weniger Frauen. Doch alles in allem läuft es gut und wir haben hier in Berlin eine bunte Truppe beisammen, mit der wir Yoga üben.
Welche waren die größten Herausforderungen? Gab es Situationen, die dich an deine Grenzen gebracht haben?
Bettina: Die gab und gibt es immer wieder. Zu Beginn waren es vor allem interkulturelle Kommunikationsprobleme, doch da beide Seiten die andere Kultur immer besser kennen lernen, werden diese Probleme deutlich weniger. Mit der Unzuverlässigkeit hatte ich sehr lange Zeit stark zu kämpfen. Doch nachdem ich verstanden habe, dass die Lethargie und fehlende Motivation ein Zeichen für ihr Trauma ist, kann ich das einordnen und besser damit umgehen.
Gibt es eine Geschichte, in der euer Engagement ganz besonders wichtig war?
Bettina: Eine der geflüchteten Frauen, Duaa, hat sich von Anfang an ganz besonders für das Yoga interessiert. Dank eins Stipendiums, das wir ihr vermitteln konnten, ist sie nun sogar selbst Yogalehrerin. Mich hat es wahnsinnig berührt zu sehen, wie sehr sie sich durch das Yoga verändert an, was sie an Selbstbewusstsein gewonnen und Perspektive sie sich selbst geschaffen hat. Eines Tages drückte mir Duaa einen Brief in die Hand, in dem sie mir schrieb, dass sie durch das Yoga wieder Lebensmut gewinnen konnte. „Hätte es das Yoga nicht gegeben“, so schrieb sie, „dann wäre ich ganz sicher sehr jung gestorben.“ Das hat mich sehr berührt und mir gezeigt, wie gut und wichtig unsere Arbeit ist.
Was motiviert dich am Meisten, deine Arbeit fortzuführen?
Bettina: Die Frauen selbst, ihre Freude am Yoga und ihr entspanntes Gesicht nach dem Savasana.Und meine Vision, dass wir mit der Kraft des Yoga die Welt retten können. Wir müssen nur endlich damit anfangen!
2016 habt ihr dann eine Crowdfindung-Kampagne für eine Yoga-Trauma-Therapie gestartet. War die Kampagne erfolgreich und was ist seitdem passiert?
Bettina: Puh, wo soll ich anfangen? Wir haben dank des Crowdfunding einen Raum für über zwei Jahre mieten könne, in dem wir bis zu drei Mal in der Woche Yoga angeboten haben. Wir sind für deutschen Integrationspreis nominiert gewesen, haben zahlreiche Workshops zum Thema Gesundheit, Arbeit und Berufsorientierung gemacht und haben einen kleinen Wochenausflug gemeinsam aufs Land gemacht. Gerade eben sind wir dabei den Raum aufzugeben, um Kosten zu sparen und unterrichten wieder in Yogastudios. Zudem haben wir Citizen2be als Marke angemeldet, wobei es weniger darum geht, mit der Marke Geld zu verdienen, als sie als Qualitätsmarke für traumainformiertes Yoga zu etablieren.
Du hast alleine angefangen, mittlerweile seid ihr ein Team von 9 Frauen. Arbeiten alle ehrenamtlich bei Citizen2be?
Bettina: Fast. Ich habe mittlerweile einen Minijob, weil die Arbeit einfach zu viel geworden ist und einige Mitarbeiter stellen hin- und wieder, wenn die Arbeit über den normalen ehrenamtlichen Rahmen hinausgeht, Rechnungen. Auch die Therapeutin wird aus den Spendengeldern bezahlt. Aber die Yogalehrer und viele andere, arbeiten komplett ehrenamtlich.
Habt ihr Pläne für die Zukunft und wie sehen sie aus?
Bettina: Und ob! wir sind gerade dabei das Angebot von Citizen2be deutschlandweit auszubauen. Also, wenn jemand in seinem Studio, Raum oder in seinem Dorf eine Citizen2be Yogastunde anbieten will, gerne bei uns melden! Wir werden im Herbst in verschiedenen Städten Workshops anbieten, in denen wir alle zukünftigen Lehrer ausbilden und ihnen ein gutes Package mitgeben, mit dem sie starten können. Mein Traum wäre es, dass es Ende 2020 in 20 deutschen Städten eine Citizen2be Yogastunde gibt und unsere Gemeinschaft kontinuierlich wächst. Ich möchte das wir eine richtige Community werden, die den Gedanken, dass Yoga ein überaus hilfreiches Werkzeug bei Traumata ist, weiterträgt und jedem, die Chance gibt daran teilzunehmen.
Kann man euch auch unterstützen, wenn man kein Yogalehrer ist?
Natürlich! Immer gern! Man kann uns ganz klassisch Geld spenden, eine Charity Yogaklasse organisieren oder einen unserer Lehrer für eine Privat- oder Firmenstunde buchen. Das Geld, das wir für diese Stunden nehmen kommt auch Citizen2be zugute. Manche habe sich auch schon anstatt Geschenke Geld für ihren Geburtstag gewünscht und dass dann uns gespendet. Solche Aktionen rühren mich unglaublich und geben meinem Team und mir jede Menge Energie weiterzumachen.