Durch die Anstrengung einer körperlichen Praxis in einen meditativen Zustand eintreten: Das ist das Ziel von Ashtanga Yoga. Ein Yogastil, der Beweglichkeit, Kraft und Stabilität fördert. Ashtanga Yoga wird oft auch als der härteste Yoga-Stil oder auch die Königsdisziplin des Yoga bezeichnet.
Ashtanga Yoga besteht aus sechs Serien. Viele Yogis praktizieren aber auch nach monate- und jahrelanger Übung nur die erste Serie. Denn erst wenn man eine der anspruchsvollen Übungsreihen vollständig beherrscht, geht man weiter zur nächsten. Es gibt nur wenige Menschen, die über die zweite Serie hinauskommen.
Die Geschichte des Ashtanga Yogas
Entwickelt wurde Ashtanga Vinyasa Yoga von Patthabi Jois. Der Yogalehrer lebte und praktizierte in Mysore/Südindien. Circa 1960 veröffentlichte er sein Buch “Yoga Mala”, in dem er die einzelnen, von ihm entwickelten Übungsserien sowie seinen Yogastil erklärt und beschreibt. 1975 begann Jois schließlich, in Europa und den USA Yogaseminare zu geben. Er selbst war ein langjähriger Schüler des indischen Yoga- und Ayurveda-Lehrers Krishnamacharya. Dieser ist unter anderem als der “Vater des modernen Yoga” bekannt.
In Deutschland gilt Dr. Ronald Steiner (hier im Interview mit OGNX: Ronald Steiner) als einer der bekanntesten Vertreter der Ashtanga Yoga Tradition. Als direkter Schüler von Patthabi Jois stellt er auf seiner Ashtanga-Website umfangreiche Informationen über den Yogastil zur Verfügung (unter anderem Spickzettel im PDF-Format über die ersten drei Serien zum Herunterladen).
Ashtangas – die acht Glieder
Ashtanga bedeutet “achtgliedrig”. Das Wort setzt sich zusammen aus “ashta” (“acht” in Sanskrit) und “anga” (“Glieder” in Sanskrit).
Die acht Glieder haben ihren Ursprung im Yoga Sutra des Patanjali. Das ist eines der Basis-Werke der Yogaphilosophie. Ziel des achtgliedrigen Pfades ist die Erleuchtung, die man durch das Leben nach diesen Regeln erlangt.
- Yama = Verhalten gegenüber anderen
- Niyama = Verhalten gegenüber sich selbst
- Asana = Körperübungen
- Pranayama = Atemübungen
- Pratyahara = Zurückziehen der Sinne
- Dharana = Konzentration
- Dhyana = Meditation
- Samadhi = Erleuchtung
Ashtanga Yoga: Übungen
Jede der sechs Serien im Ashtanga Yoga besteht aus einer festen Anzahl an Positionen (= Asanas). Diese werden jeweils fünf Atemzüge lang gehalten und durch einen fließenden Übergang (= Vinyasa) miteinander kombiniert. Während der Übungssequenz atmen die Schüler mithilfe der Atemtechnik Ujjayi. Yoga-Studios lehren im öffentlich zugänglichen Unterricht meist nur die ersten zwei Serien - jede davon besteht aus vielen einzelnen Übungen, die die Übenden exakt verinnerlichen sollen. Von Serie zur Serie werden die Haltungen komplexer und anspruchsvoller.
In der Regel beginnen die jeweiligen Serien mit Sonnengrüßen, gefolgt von stehenden Haltungen, mehreren Haltungen im Sitzen sowie einer Abschluss-Sequenz inklusive Savasana (= Schluss-Entspannung). Die erste Serie namens Yoga Chikitsa (auf Deutsch: Yoga Therapie) setzt sich zum Beispiel aus insgesamt 41 Asanas zusammen - unter anderem werden die Stuhl-Postition, Krieger I und II oder das Boot geübt.
Die Sonnengrüße zu Beginn der Serie legen das Fundament für die Ashtanga Yoga Praxis. Mithilfe der Atemtechnik Ujjayi stellt sich dabei ein regelmäßiger Atemrhythmus ein. Die Bandha-Technik (= Zusammenziehen bestimmter Muskeln) hilft Ashtanga-Yogis ihre Energie im Körper bewusst zu lenken. Ein fokussierter Blick ( = Drishti) sorgt für die nötige Konzentration während der Praxis.
Die anschließende Übungsfolge aus stehenden und sitzenden Asanas nach den Sonnengrüßen ist dazu gedacht, den energetischen und physischen Körper in Balance zu bringen. Ihren Höhepunkt findet die Übungspraxis in der Abschlusssequenz, bei der sich mentale Ruhe einstellt und die Energie (= Prana) ganz und gar im Fluss ist.
Die Komplexität von Ashtanga Yoga liegt zum einen in den Übungen, aus denen sich die einzelnen Serien zusammensetzen und die mit jeder Serie anspruchsvoller werden. Aber vor allem darin, die drei Yogatechniken Ujjayi, Bandha und Drishti zu erlernen und gleichzeitig beim Üben der von Serie zu Serie schwieriger werdenden Asanas anzuwenden.
Die Besonderheiten des Ashtanga Yogas
Bei Ashtanga Yoga handelt es sich um einen extrem körperbetonten Vinyasa-Yogastil. Um ganz im Sinne von Vinyasa im Fluss zwischen den einzelnen Übungen hin und her zu wechseln, führen Ashtanga-Yogis unter anderem oft kraftvolle Sprünge aus - zum Beispiel aus dem Liegestütz nach vorne in den Schwebesitz. Dabei behalten sie ihre Atmung mithilfe von Ujjayi im Griff.
Vor allem am Anfang einer Asthanga-Yoga-”Karriere” spielt der Lehrer oder die Lehrerin eine große Rolle, da er oder sie dabei hilft, die Sequenzen auf eine Art und Weise auszuführen, die dem Körper gut tut und nicht schadet.
Traditionell üben Ashtangis an sechs Tagen die Woche Yoga (Sonntag bis Freitag). Pausiert wird an Mondtagen (Voll- und Neumond). Das Ziel ist eine eigenständige, regelmäßige Yogapraxis.
Ashtanga Yoga für Anfänger? Darauf gilt es zu achten
Yoga-Neulinge sollten sich nicht vom Begriff “Königsdisziplin” abschrecken lassen: Ashtanga Yoga eignet sich gut für einen Einstieg in die indische Körperlehre. Es ist darauf ausgelegt, eine eigenständige Yogapraxis zu entwickeln.
Als AnfängerIn beginnst du mit dem Erlernen einer Reihe von Grundpositionen, die du vielleicht schon aus dem Hatha-Yoga kennst. Auf diesem Können baust du im Anschluss die erste Serie auf. Es empfiehlt sich, als Ashtanga-Neuling unbedingt einen Einsteigerkurs zu besuchen. In den Beginner-Stunden lernst du die Übungsabfolge von Grund auf. Zudem gibt es in vielen Studios spezielle Angebote, die Mysore-Klassen genannt werden.
Während einer Asthanga-Mysore-Yogastunde haben alle Yogaschüler den gleichen Übungsplan. Jedoch betreut der Lehrende jeden einzelnen und achtet während des Unterrichts auf eine saubere Ausführung der Positionen. Die Übungen auf die richtige Art und Weise zu lernen, ist wichtig, da sonst das Verletzungsrisiko bei den dynamischen Vinyasa-Flows sehr hoch ist. Für den Anfang gibt es sogenannte Cheat Sheets mit der Übungsabfolge als Spickzettel. Diese sind aber meist nach kurzer Zeit nicht mehr nötig.
Viele Ashtanga Yoga Studios bieten im Vergleich zu anderen Yogastilen keine Probestunden, sondern gleich Probemonate an. Es nimmt in der Regel mehr als 60 oder 90 Minuten in Anspruch, die Übungssequenzen im Ansatz zu lernen und zu verstehen.
Für Körper und Geist – Ashtanga Yoga und seine Wirkung
Die Ashtanga Praxis kann sich sowohl auf deinen Körper als auch auf deinen Geist positiv auswirken. Auf körperlicher Ebene hat regelmäßiges Üben den Effekt, dass deine Muskeln und Körperpartien immer definierter, beweglicher und kräftiger werden.
Auf geistiger Ebene hat die von Patthabi Jois entwickelte Praxis eine reinigende und klärende Wirkung: Durch die volle Konzentration und Aufmerksamkeit auf das Üben zeigt dir Ashtanga Yoga einen Weg auf, aus dem Gedankenkarussell auszusteigen und einen klaren Kopf zu bekommen. Die Ashtanga-Praxis ermöglicht dir eine Auszeit vom Alltag und verbindet dich mit dir selbst.
Bei Ashtanga Yoga handelt es sich um einen ruhigen, körperlich sehr anstrengenden Yogastil, bei dem die exakte Ausführung der Asanas im Vordergrund steht. Wenn du über viel Disziplin und Hingabe verfügst oder diese Fähigkeiten mehr dein Leben integrieren willst, wirst du diese Art von Yoga mögen. Die sechs Serien des Ashtanga Yoga laden dich dazu ein, dich weiterzuentwickeln und Schritt für Schritt neue Herausforderungen anzunehmen.