Hast du eine Asana schon mal 15 Minuten lang gehalten? Klingt beeindruckend und ist es auch. Genau das macht man beim Yin Yoga. Wobei eine Viertelstunde schon Profilevel ist. Meistens werden die Übungen beim Yin Yoga 3 – 5 Minuten gehalten.
Entwickelt hat sich Yin Yoga aus dem traditionellen Hatha Yoga. Im Yin Yoga gibt es vorwiegend liegende und sitzende Asanas. Durch das lange Halten werden Bindegewebe, Faszien, Sehnen und Gelenke intensiv gedehnt. Yin Yoga hat aber auch eine tiefe Wirkung auf dein Inneres und deine Gedanken.
Es kann Schmerzen und Verspannungen lösen und vorbeugen – genauso wie emotionale Blockaden. Deshalb erfreut sich der ruhige, meditative Yogastil immer größerer Beliebtheit. Grund genug, sich Yin Yoga einmal im Detail anzuschauen.
Woher kommt Yin Yoga? Eine kurze Geschichte
Yin Yoga wird wahrscheinlich schon seit Jahrhunderten in verschiedenen Varianten praktiziert, ohne dass dieser Name verwendet wurde. Bekannt wurde Yin Yoga in den 1980er-Jahren durch den amerikanischen Kampfkunstsportler Paulie Zink. Er praktizierte ein – wie er es selbst nannte – „Daoist Yoga“, erlernt vom Kung-Fu-Meister Cho Chat Ling. Seine Beweglichkeit und seinen Erfolg als Kampfkünstler verdanke er dieser Yogapraxis. 1987 sah der Yogalehrer Paul Grilley einen TV-Bericht über Paulie Zink und war fasziniert, insbesondere vom langen Halten der Asanas. Grilley machte eine Ausbildung bei Zink, gefolgt von vielen weiteren Studien über die Wirkung des Yogastils. Paul Grilley unterrichtete diesen Yogastil zunächst unter dem Namen „Taoist Yoga“. Im selben Studio unterrichtete die Yogalehrerin Sarah Powers, die schließlich den Namen „Yin Yoga“ prägte. Sie ergänzte die Praxis durch Lehren aus dem Buddhismus und der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM). Ihre Yogapraxis zielt insbesondere auf den Fluss des Qi (der Lebensenergie) im Meridiansystem ab. Sarah Powers und Paul Grilley machen bis heute weltweit Workshops und Ausbildungen im Yin Yoga.
Die Bedeutung von Yin und Yang im Yin Yoga
Das Konzept von Yin und Yang stammt aus der chinesischen Philosophie des Daoismus. Yin und Yang gelten als entgegengesetzte Kräfte: Yin beschreibt die weibliche, passive, ruhige und weiche Energie. Yang ist der männliche, aktive, dynamische und harte Gegenpol. Auf die Anatomie bezogen steht Yin für das Bindegewebe, die Bänder und Sehnen, Yang für die Muskeln. Yin und Yang schließen sich nicht gegenseitig aus – im Gegenteil: Sie bilden als Gegenpole eine untrennbare Einheit. Das eine funktioniert nicht ohne das andere.
Die meisten der heute populären Yogastile sind Yang-fokussiert: Sie sind eher dynamisch und körperlich fordernd, wie z. B. Ashtanga Yoga. Noch viel mehr ist unser Leben Yang-geprägt: Hektik, Stress und Leistungsdruck bestimmen oft unseren Alltag. Wenn du Yin Yoga praktizierst, kannst du wieder ein Gleichgewicht zwischen Yin und Yang herstellen, du erreichst mehr Ruhe und Ausgeglichenheit.
Im Gegensatz zu anderen Yogastilen darfst du beim Yin Yoga passiv sein, dich achtsam den Haltungen hingeben und einfach schauen, was passiert. Dadurch kannst du abschalten, deine Gedanken und deinen Geist beruhigen. Vielleicht kommen dir durch die passiven Haltungen zu Anfang auch besonders viele Gedanken. Das ist ein Zeichen dafür, dass etwas in dir arbeitet und in der Yogastunde hast du die Zeit dafür. Nicht nur körperliche, sondern auch emotionale Blockaden werden gelöst. Eine regelmäßige Praxis sensibilisiert dich für eine bessere und bewusstere Wahrnehmung deines Körpers und auch deines Inneren.
Die beliebtesten Yin-Yoga-Übungen und ihre Bedeutung
Dass die Asanas beim Yin Yoga mehrere Minuten lang gehalten werden und es vorwiegend sitzende und liegende Positionen gibt, weißt du bereits. Es gibt aber noch ein paar mehr Besonderheiten bzw. Unterschiede zu anderen Yogastilen.
Falls du schon Yoga praktizierst, werden dir beim Yin Yoga bekannte Asanas begegnen, die aber anders heißen. Die Taube wird z. B. zum Schwan, der Sprinter zum Drachen. Schüler sollen die Haltungen anders praktizieren, als sie es von anderen Yogastilen kennen. Durch andere Namen wird eine unbewusste Assoziation verhindert. Denn die Intention und die Ausführung unterscheiden sich beim Yin Yoga: Anstatt volle Körperspannung sollen möglichst wenig Muskeln angespannt werden. Alle für die Übung nicht benötigten Muskelgruppen sollen komplett loslassen und entspannen können.
Yin Yoga dehnt und entspannt deine Muskeln und Gelenke und macht dich mit der Zeit flexibler. Yin Yoga wirkt sich außerdem positiv auf dein Bindegewebe und die Faszien aus – mögliche Verspannungen oder Verklebungen können gelöst werden. Dabei hast du die Möglichkeit, achtsam in deinen Körper zu spüren und ihn besser kennenzulernen. Wenn du nur bis zu einem bestimmten Punkt in eine Haltung kommst, kann das entweder an deinem individuellen Skelettbau liegen oder an verhärteten Faszien. Im ersten Fall darfst du das so akzeptieren, da der Bewegungsradius des Skeletts nicht veränderbar ist. Im zweiten Fall kannst du durch regelmäßiges Üben und Entspannen beweglicher und flexibler werden. Yin Yoga schult dich, diesen Unterschied wahrzunehmen und zu erkennen.
So führst du eine Yin-Yoga-Übung aus:
- Finde langsam in die Position, ohne direkt ans Maximum zu gehen.
- Bring die Aufmerksamkeit nach innen, beruhige deinen Atem und halte die Position.
- Lasse nach und nach los und spüre, was dir gut tut: Vielleicht kannst du noch tiefer in die Asana gehen oder du passt die Haltung etwas an. Du darfst beim Yin Yoga eine Dehnung spüren, es sollten jedoch keine Schmerzen sein.
Hier kommen einige der beliebtesten Asanas für deinen Yin-Yoga-Übungsplan:
Drache (Anjaneyasana)
Ein Fuß ist vorne aufgestellt, das Knie ist im rechten Winkel über dem Sprunggelenk. Das andere Bein ist hinten. Schiebe dein Becken nach vorn, bis du eine Dehnung verspürst. Je nachdem, wie gelenkig du bist, kannst du deine Hände auf dem Oberschenkel, einem Yogaklotz oder auf dem Boden abstützen. Wechsel nach einigen Minuten die Seiten. Insbesondere der Hüftbeuger wird in dieser Position mobilisiert.
Schmetterling (Baddha Konasana)
Sitze aufrecht und bringe deine Fersen aneinander. Die Knie fallen locker nach außen. Die Füße sind ein kleines Stück vom Becken entfernt. Greife mit den Händen um deine Füße. Wenn du magst, kannst du dich vorbeugen und deine Stirn auf einem Yogaklotz oder deinen Füßen ablegen. Der Schmetterling dehnt deine Oberschenkelinnenseiten und öffnet sanft deine Hüften.
Raupe (Paschimottanasana)
Die Raupe ist eine sitzende Vorwärtsbeuge, die deine Wirbelsäule und den Schulterbereich entlastet und dehnt. Sitze aufrecht mit nach vorne ausgestreckten Beinen. Hebe die Arme und beuge dich langsam nach vorn. Dein Rücken darf dabei rund werden. Ziel ist es, Kopf und Arme abzulegen. Dazu kannst du einen Gurt, einen Yogaklotz oder ein Kissen zur Hilfe nehmen.
Sphinx (Ardha Bhujangasana)
Die Sphinx ist eine Abwandlung der Kobra. Beginne in Bauchlage, bringe die Ellbogen unter deine Schultern und lege die Unterarme und Hände gerade nach vorne gerichtet ab. Hebe nun den Brustkorb vom Boden ab, sodass du in eine angenehme Rückbeuge kommst.
Nadelöhr (Sucirandhrasana)
Winkel in Rückenlage ein Bein an und lege den Fuß des anderen über das Knie. Greife mit beiden Händen das angewinkelte Bein. Finde eine angenehme Dehnung, indem du das Bein zu dir heranziehst und gleichzeitig das Knie des anderen von dir weg drückst. Das Nadelöhr spricht besonders die Gesäß- und tiefe Hüftmuskulatur an.
Yin Yoga für den Rücken
Probleme und Schmerzen im Rücken sind oft Folge von zu vielem Sitzen und zu wenig Bewegung. Yin Yoga ist für den Rücken eine wahre Wohltat. Durch das lange Halten der Asanas wird der Rücken intensiv gedehnt, mobilisiert und entspannt. Yin Yoga kann Rückenschmerzen lindern und bei regelmäßiger Praxis vorbeugen.
Bei den meisten Yogastilen wird der Rücken bewusst gerade gehalten. Beim Yin Yoga darfst du loslassen und ihn runden.
Diese Yin-Yoga-Übungen sind besonders gut für den Rücken:
Halber Drehsitz (Ardha Matsyendrasana)
Bei dieser Übung wird deine gesamte Wirbelsäule mobilisiert und gedehnt, ebenso der Brustkorb. Beginne im Schneidersitz und stelle den linken Fuß rechts neben das rechte Knie. Umarme mit dem rechten Arm dein linkes Knie. Stelle den linken Arm hinter dir auf, richte dich auf und drehe dich sanft nach links. Soweit, bis du eine angenehme Dehnung spürst. Dann ist die andere Seite an der Reihe.
Schmelzendes Herz (Anahatasana)
Starte im Vierfüßlerstand und wandere langsam mit deinen Händen nach vorne. Die Knie bleiben im rechten Winkel bzw. das Becken über den Knien ausgerichtet. Wander mit ausgestreckten Armen so weit, bis dein Herz möglichst nah am Boden ist.
Liegender Halbmond (Ardha Chandrasana)
Beginne in Rückenlage, Arme und Beine lang ausgestreckt. Beuge nun Arme und Beine nach links, dabei bleiben sie gestreckt. Greife mit der linken Hand das rechte Handgelenk, um die Dehnung zu intensivieren. Deine gesamte rechte Körperhälfte wird aufgedehnt und die Wirbelsäule mobilisiert. Wiederhole die Übung anschließend auf der anderen Seite.
Die besten Tipps: Yin Yoga für Anfänger
Wenn du gern flexibler wärst, zu Verspannungen neigst oder Schmerzen vorbeugen möchtest, kann Yin Yoga dir dabei helfen. Ebenso, wenn du gern mehr Ruhe und Achtsamkeit in deine Gedanken und deinen Alltag bringen möchtest. Falls du schon andere Yogastile praktizierst, kann Yin Yoga ein toller Ausgleich zu dynamischeren Yogastunden sein. Wenn du schon Yogakenntnisse hast, kannst du Yin Yoga auch Zuhause praktizieren. Wenn du neu mit Yoga anfängst, bietet sich ein Kurs für Yin-Yoga-Anfänger in einer Yogaschule an, damit du bei der richtigen Ausführung unterstützt wirst und die Yoga-Übungen und ihre Wirkung kennenlernen kannst.
Beim Yin Yoga sind grundsätzlich alle Hilfsmittel erlaubt, die dich bei den Übungen unterstützen und es dir bequemer machen. Wobei keines davon ein Muss ist. Die gängigsten Hilfsmittel sind Yogaklotz, Kissen, Decke, Nackenrolle und Gurt.
Meistens empfehlen wir für die Yogapraxis eher eng anliegende Kleidung. Beim Yin Yoga darf es aber gern locker und bequem sein wie mit unserer beliebten Keffiah Pants aus Bio-Baumwolle.
Kann ich Yin Yoga auch während der Schwangerschaft praktizieren?
Yoga und insbesondere Yin Yoga sind gerade in der Schwangerschaft besonders hilfreich und unterstützend. Yoga in der Schwangerschaft kannst du so lange machen, wie es sich für dich gut anfühlt – also theoretisch bis zur Geburt. Solange medizinisch nichts dagegen spricht natürlich – wenn du dir unsicher bist, frage vorher deinen Arzt oder deine Ärztin um Rat.
Auf mentaler Ebene kann dich Yin Yoga in der Schwangerschaft unterstützen, die körperlichen Veränderungen bewusst wahr- und anzunehmen und dir und deinem Baby Aufmerksamkeit zu schenken. Die Yogapraxis kann dein Wohlbefinden steigern, dich mental auf die Geburt vorbereiten und sogar Schwangerschaftsbeschwerden wie Rückenprobleme lindern.
Körperlich kannst du bestimmte Asanas gezielt zur Geburtsvorbereitung einsetzen. Dazu zählen insbesondere Übungen, die den Hüft- und Beckenbodenbereich stärken und lockern.
Beim Yoga in der Schwangerschaft solltest du natürlich ganz besonders auf deinen Körper hören und nur das machen, was sich für dich gut und richtig anfühlt. Mit wachsendem Bauchumfang gibt es ein paar Übungen, auf die du in der Schwangerschaft verzichten solltest: Vermeide Übungen in Bauchlage und Bauchmuskelübungen, achte darauf, kein Hohlkreuz zu machen und keine oder nur leichte Rückbeugen. Dehne dich nicht zu sehr, in der Schwangerschaft ist der Körper ohnehin viel dehnbarer, sodass man es unbemerkt schnell übertreibt. Übungen in Rückenlage sind mit großem Babybauch nur eingeschränkt möglich und fühlen sich für viele unangenehm an. Nimm lieber eine bequeme Seitenlage ein. Greife zusätzlich auf alle Hilfsmittel zurück, die du magst.
Yin Yoga: Wirkung, Anwendung und Bedeutung
Die vielen positiven Effekte von Yin Yoga machen den Yogastil immer beliebter – sowohl bei geübten Yogis als auch bei Yoga-Anfängern. Im Sinne des Yin und Yang sorgst du mit Yin Yoga für Ausgleich zwischen deinen verschiedenen Kräften und Energien.
Das macht Yin Yoga mit deinem Körper:
- Faszien, Bindegewebe, Gelenke und Muskeln werden flexibler und geschmeidiger
- Lösen von Verspannungen
- Vorbeugung von Schmerzen
- du lernst deinen Körper durch Achtsamkeit besser kennen
Diese Wirkung hat Yin Yoga auf Geist und Psyche:
- Gedanken kommen zur Ruhe
- Möglichkeit, dich mit deinem Unterbewusstsein zu beschäftigen
- Lösen von emotionalen Blockaden
- mehr emotionales Gleichgewicht
- Erreichen eines meditativen Zustands
- mehr Ruhe und Gelassenheit im Alltag
Lust bekommen, es selbst einmal auszuprobieren? Wir wünschen dir ganz viel Freude dabei!